Der neue 911 Sport Classic hat einen legendären Vorgänger: den 2009 auf der IAA präsentierten 911 Sport Classic (997). Boris Apenbrink war damals Projektleiter. Wir sprachen mit ihm über Entstehungsgeschichte und Highlights des ersten 911 Sport Classic sowie die zahlreichen Parallelen zum neuen Modell. Aktuell ist Apenbrink Leiter Porsche Exclusive Manufaktur Fahrzeuge.
Herr Apenbrink, der erste 911 Sport Classic basierte noch auf der Modellreihe 997. Wie kam es zu diesem Modell?
Apenbrink: Die Idee zum 911 Sport Classic entstand 2006 im Rahmen eines Workshops. Gesucht wurde ein Fahrzeugkonzept, das an die Tradition der Porsche Exclusive Kleinserien anknüpfen und diese Idee in die Neuzeit transportieren sollte. Auf dem Flipchart standen Schlagworte wie „Mix aus Sport und Klassik“, „Tief und breit“, „Fuchsfelge“, „Klassischer Heckdeckel/Spoiler“ und „Braunes klassisches Interieur“.
Und welche strategischen Überlegungen steckten dahinter?
Apenbrink: Motivation für die Suche war die strategische Neuausrichtung der Porsche Exclusive Manufaktur, damals noch Porsche Exclusive genannt. Gesamtfahrzeuge sollten als Leuchttürme die Kompetenz des Geschäftsfeldes zeigen. Überzeugung war, dass komplette Fahrzeuge bei den Kunden und den Fans eine stärkere kommunikative Wirkung haben als einzelne Ausstattungen. Denn ein Fahrzeug sagt mehr als tausend Worte und hundert Bilder.
Mit 250 Stück war der 911 Sport Classic streng limitiert. Warum?
Apenbrink: Die Märkte waren etwas unsicher über das Potential dieser Kleinserie. Man wusste nicht so recht, wie das Fahrzeug ankommen wird. Durch seine umfassende Produktsubstanz und die kleine Stückzahl war dieses Modell zudem recht teuer.
Stichwort Produktsubstanz: Was waren denn die Highlights aus Ihrer Sicht?
Apenbrink: Der erste 911 Sport Classic war ein Vorbote der Heritage Design Strategie. Seine Exterieurfarbe Sportclassicgrau polarisierte damals stark. Helle Grautöne gab es im Straßenbild nicht. Der Vorstand scherzte bei der Vorstellung, dass man wohl die Lackierung vergessen habe und nur in Grundierung herumfahren wolle. Ideengeber für die Farbe war ein Bild aus dem historischen Archiv: Dort stand ein modegrauer 356 auf einer grünen Wiese. Die zwei Streifen und die seitliche Dekorfolie in einem dunkleren Grau waren nötig, um für das Auge einen Kontrast zu schaffen. Gleiches gilt für die schwarz lackierten Felgen und die schwarz glänzend lackierten Anbauteile. Von Anfang an war das Ziel, das legendäre Design der Fuchs-Felge mit angedeutetem Tiefbett und Hochglanzelementen wieder einzuführen. Die graue Lackierung und die Fuchs-Felgen sind übrigens Elemente, die auch den neuen 911 Sport Classic auszeichnen.
Sehr breit war auch schon der erste 911 Sport Classic?
Apenbrink: Ja, der Turbo-Look stand beim 997 schon Pate und ist nun beim 992 noch präsenter. Erstmals wurden damals breite Karosserie, Heckantrieb, Schaltgetriebe und leistungsgesteigerter Motor miteinander kombiniert. Das Ergebnis war so überzeugend, dass noch in der Entwicklungsphase des 911 Sport Classic davon der spätere 911 GTS abgeleitet wurde.
Turbo-Look bedeutet aber nicht Racer, oder?
Apenbrink: Nein, beide Sport Classic Modelle sind Cruiser und nicht Racer. Die Fahrer kennen die Performance ihres Autos, müssen sie aber nicht beweisen. Sie sind eher Genießer schöner Küstenstraßen als Besucher von Rennstrecken.
Extrem markantes Detail ist ja der Entenbürzel. Wie verhindern Sie eigentlich, dass damit nicht viele 997 nachgerüstet werden?
Apenbrink (lacht): Um den Bürzel als Original-Ersatzteil nachzubestellen, muss man im Porsche Zentrum mittels Fahrgestellnummer beweisen, dass man tatsächlich einen 911 Sport Classic besitzt. Das Bauteil wurde von Anfang an als einzigartig für die Kleinserie definiert. Die Form des Entenbürzels ist sehr authentisch dem Original nachempfunden. Sie wurde in vielen Schleifen optimiert und perfekt auf den 997 angepasst. Auch der neue 911 Sport Classic trägt wieder einen markanten Entenbürzel.
Noch höher war vermutlich der Produktionsaufwand beim Doppelkuppeldach?
Apenbrink: Ja, denn es gab seinerzeit eigentlich nur Dachmittelteile mit und ohne Schiebedach und keinen Platz im Werk für eine weitere Variante. Statt die Logistikflächen im Karosseriebau anzupassen, haben wir damals dafür eigens einen Mitarbeiter eingesetzt. Sobald die Produktionsnummer eines 911 Sport Classic auftauchte, legte dieser manuell ein Doppelkuppeldach-Mittelteil in die Anlage ein. Bei 250 Einheiten war dies 2009 noch möglich. Heute ist das undenkbar, deswegen ist das Doppelkuppeldach des neuen 911 Sport Classic heute vollständig in den Logistikprozess bis ans Montageband eingebunden.
Welchen historischen Hintergrund hat die schon von weitem erkennbare Doppelsicke im Dach?
Apenbrink: Inspiriert wurde das Dach von der Studie des 911 Panamericana von 1989 sowie den herausnehmbaren Dachhälften des Carrera GT. Und ganz früher haben großgewachsene Rennfahrer Beulen in die Dächer geschlagen, um mit Helm ausreichend Kopffreiheit beim Fahren zu haben.
Im Interieur hingegen war mehr Understatement angesagt?
Apenbrink: Dort ist die Hochwertigkeit das zentrale Thema. Ein Fahrzeug mit prägnanten Bauteilen im Exterieur wirkt im Zusammenspiel mit einem eleganten, zurückgenommenen Interieur besonders gut. Pepita-Sitze, Pferdesättel und Winchester-Sofas standen Pate für die Materialverarbeitung und die Lederauswahl. Nie zuvor hatte Porsche für ein Sondermodell oder eine Kleinserie so viele Materialien eigens entwickelt. Beispiele für solche exklusiven Halbzeuge sind der graue Alcantara-Dachhimmel und die Kräuselschlingen-Teppichware. Hinzu kamen sehr viele belederte Bauteile. Es gab so gut wie kein unbehandeltes Kunststoffteil mehr im gesamten Innenraum.
Bei einem Interieur-Bauteil hat sich Porsche beim kleinen Bruder des 911 bedient …
Apenbrink: Ja, dieses Detail registrieren nur Kenner. Da der Türspiegel in Flechtleder ausgeführt ist, wurde die Türtafel des Boxster mit waagerechtem Zuziehgriff verwendet. Form follows function war bei Porsche schon immer Maxime. Und das war der beste Weg, das schöne Material in der Tür zur Geltung zu bringen. Zudem hat uns der waagerechte Griff des Boxster immer an die Türgriffform bis zum Typ 993 erinnert.