Historie

Der 911 Turbo: Karriere eines Spitzensportwagens

Porsche stellte auf dem Pariser Salon 1974 einen Hochleistungs-Sportwagen vor, der Maßstäbe in Sachen Leistung und Luxus setzte: den 911 Turbo 3.0. Er leistete 191 kW (260 PS) aus drei Liter Hubraum und ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h – damit war er lange Zeit Deutschlands schnellster Straßensportwagen.

Es war ein mutiger Schritt. Zwar waren aufgeladene Motoren im Rennsport nichts Außergewöhnliches mehr, aber an ein Straßenfahrzeug mit Turbomotoren hatte sich zuvor nur ein Hersteller gewagt. Die Kraftkur durch den Lader ging in der Regel mit drastisch verringerter Lebenserwartung des Triebwerks einher, hoher Empfindlichkeit und besonders kapriziösem Fahrverhalten. Kurzum: Der Turbomotor galt als unzähmbar.

Die Porsche-Ingenieure lösten das Problem: Den Nachteilen des turbogeladenen Motors wie Leistungs- und Beschleunigungsschwäche im unteren Drehzahlbereich begegneten sie mit einer bis dahin nur im Rennsport eingesetzten Ladedruckregelung über ein Abgas-Bypassventil. Diese aufwendige Regelung erlaubte es, den Lader so zu dimensionieren, dass bereits bei niedrigen Drehzahlen Druck aufgebaut und damit mehr Drehmoment erzeugt wurde. Um die üppige Leistung im Zaum zu halten, griff Porsche auch beim Thema Bremsen auf seine umfangreichen Motorsport-Erfahrungen zurück und baute hinter den Rädern innenbelüftete Scheibenbremsen mit Aluminium-Bremssätteln ein, die ursprünglich im Rennwagen Porsche 917 für ausgezeichnete Verzögerungswerte sorgten.

1977: Der Porsche Turbo erreicht die magische Grenze von 300 PS

Im Frühjahr 1975 startete Porsche die Auslieferung des 911 Turbo, im Jahr 1977 folgte der 911 Turbo 3.3, dessen vergrößerte Maschine dank Ladeluftkühlung die magische Zahl von 221 kW (300 PS) leistete. Die unter der Typbezeichnung 930 laufenden Sportwagen sind bis heute eine Legende. 1987 gesellten sich eine Targa-Variante und ein Cabriolet zum bisher ausschließlich als Coupé angebotenen Turbo. 

Nach einer Produktionspause im Modelljahr 1990 wurde zum Modelljahr 1991 ein neuer 911 Turbo angeboten, der als Coupé an den Start ging. Erneut hatte er einen 3.3-Liter-Motor, doch der leistete 235 kW (320 PS) und basierte auf der 911-Reihe mit der internen Bezeichnung 964. Im Jahr 1993 überarbeitete Porsche dieses Modell. Als 911 Turbo 3.6 leistete es nun 265 kW (360 PS). Die 1995 vorgestellte nächste 911 Turbo-Generation setzte erneut Maßstäbe im Sportwagenbau. Der Motor dieses 911 Turbo der Generation 993 leistete aus 3,6-Liter mit zwei Turboladern 300 kW (408 PS). Von null auf 100 km/h beschleunigte dieser 911 Turbo in 4,5 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit betrug 290 km/h. Noch eine einschneidende Neuerung war der vom 911 Carrera 4 übernommene serienmäßige Allradantrieb.

2000: Mehr Leistung, weniger Verbrauch

Die erste 911 Turbo-Generation nach der Jahrtausendwende erhielt bei ihrer Vorstellung im Februar 2000 das Prädikat des „weltweit saubersten Automobils“. Möglich wurde dies durch Vierventil-Technik, Wasserkühlung und vor allem durch den Ersteinsatz von VarioCam Plus. Auch bei dieser Generation (996) behielt Porsche Allradantrieb und Biturbo bei. 309 kW (420 PS), in 4,2 Sekunden von null auf 100 km/h sowie 305 km/h Höchstgeschwindigkeit lauteten die Leistungsdaten. 

Im Februar 2006 folgte die sechste Generation des 911 Turbo. Als erstes Serienauto mit Benzinmotor verfügte das Top-Modell der Generation 997 über einen Turbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG). 353 kW (480 PS) wollten jetzt über den neuen, geregelten Allradantrieb auf die Straße gebracht werden. Die Beschleunigungsmessungen endeten mit einer kleinen Sensation: Erstmals war der Top-Elfer mit dem Automatikgetriebe Tiptronic S schneller von null auf 100 km/h als mit dem Sechsgang-Schaltgetriebe: Mit 3,7 Sekunden lag der Sprintvorteil bei zwei Zehntelsekunden. Die Höchstgeschwindigkeit erreichten beide Getriebevarianten bei 310 km/h. 

2010: Ein von Grund auf neuer Turbomotor mit 500 PS

2010 schlug die Stunde für eine 911 Turbo-Modellpflege. Der neue Turbo war nicht nur stärker, schneller und noch dynamischer geworden, sondern auch leichter und sparsamer. Herzstück war der größere Motor mit 3,8 Liter Hubraum und 368 kW (500 PS) Leistung. Das erste in der 911 Turbo-Typengeschichte von Grund auf neu konstruierte Triebwerk verfügte über Benzin-Direkteinspritzung. Als Option konnte der Sechszylinder erstmals mit dem Porsche Doppelkupplungsgetriebe (PDK) kombiniert werden. Die Alleinstellung in seinem Marktsegment sicherte der um bis zu 16 Prozent reduzierte Verbrauch im Vergleich zum Vorgänger. Je nach Fahrzeugkonfiguration begnügte sich das neue Topmodell mit 11,4 bis 11,7 l/100 km. Anders als in diesem Marktsegment üblich, unterschritt der Porsche 911 Turbo damit weiterhin die Verbrauchsgrenzwerte der sogenannten Gas Guzzlers Tax in den USA. 

2013: Der erste 911 Turbo mit Hinterachslenkung und aktiver Aerodynamik 

Im 50. Jahr der Ära 911 präsentierte Porsche zwei neue Spitzenmodelle der jüngsten Elfer-Generation: 911 Turbo und 911 Turbo S. Die komplett neue Leichtbau-Karosserie mit 100 Millimeter längerem Radstand, erstmals aktiver Hinterachslenkung und auf 20 Zoll vergrößerten Rädern steigerte die fahrdynamischen Reserven ebenso wie die neue aktive Aerodynamik. Noch mehr Querdynamik ermöglichte der aktive Wankausgleich PDCC. Das System gehörte beim 911 Turbo S zur Serienausstattung, ebenso wie das Sport Chrono-Paket Turbo mit dynamischen Motorlagern und die Keramikbremse PCCB. Ergebnis: Der neue 911 Turbo S verkürzte die Rundenzeit auf der Nürburgring-Nordschleife auf unter 7:30 Minuten – mit Straßenreifen. 

Die Performance-Partner auf der Antriebsseite waren die weiterentwickelten Motoren und das neue PTM-Allradsystem. Der aufgeladene 3,8-Liter-Sechszylinder mit Benzin-Direkteinspritzung leistet im 911 Turbo 383 kW (520 PS), im S-Modell 412 kW (560 PS). Porsche setzte dabei weiterhin als einziger Hersteller zwei Turbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG) in Verbindung mit einem Benzinmotor ein. Die Kraftübertragung übernahm ausschließlich das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (PDK). 

Zum Jahresende 2015 überarbeitete Porsche den 911 Turbo. Die modellgepflegte Generation 991 erhielt 20 PS mehr Leistung, ein geschärftes Design und eine weiterentwickelte Ausstattung. Der Biturbo-Sechszylinder im 911 Turbo leistete nun 397 kW (540 PS). Erreicht wurde dieses Leistungsplus durch geänderte Einlasskanäle im Zylinderkopf, neue Einspritzdüsen und erhöhten Kraftstoffdruck. Der 911 Turbo S kam dank neuer Turbolader mit größerem Verdichter auf 427 kW (580 PS). Optisch griff der überarbeitete 911 Turbo das markante Design der aktuellen Carrera-Modelle auf. 

Evolution statt Revolution: Der 911 Turbo blieb sich immer treu

Der 911 Turbo veränderte seinen Charakter in viereinhalb Jahrzehnten nicht und steht damals wie heute für den Technologieträger der 911-Baureihe seiner Zeit: Außerordentliche Sportlichkeit, überragende Beschleunigung und gediegener Luxus sowie Qualität und Wertstabilität haben den 911 Turbo in über 45 Jahren zu einem Klassiker reifen lassen, der in der Automobil-Entwicklungsgeschichte einen ganz speziellen Platz einnimmt.



Interieur und Ausstattung